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Prof. Dr. Harald Garrecht

Flughafen Tempelhof, mehr als Europas größtes Baudenkmal?

Von 3. September 2023September 6th, 2023Keine Kommentare
©Maurice Weiss/Ostkreuz

Das Flughafengebäude, das eine Länge von ca. 1,2 km aufweist und eine Brutto-Grundfläche von etwa 300.000 m² besitzt, wirft unweigerlich die Frage auf, wie es gelingen könnte, das Denkmal mit seinem künftigen Nutzungskonzept der Klimaneutralität zuzuführen.

Bisherige Planungen sehen vor, 96% CO2-Emissionen und 44% Energie einzusparen. Mit den üblichen Konzepten der Energieversorgung lässt sich dieses Ziel aber nur bedingt erreichen. 

Auf den bisherigen Planungen aufbauend, ist ein neu gedachter, systemischer Versorgungsansatz denkbar. In diesem sollten die gewaltigen Potenziale des großflächigen und großvolumigen Baukörpers bestmöglich genutzt werden.

Mindestens dreimal so viel Energie wie bei Solarstrom lässt sich thermisch mittels der auf den Dachflächen anfallenden solaren Wärme wie auch Umweltwärme gewinnen. Anstelle einer Photovoltaik-Anlage müssten denkmalgerechte Photovoltaik/ Solarthermie-Systeme auf den Dachflächen zum Einsatz gebracht werden. Mit kaskadierten Wärmepumpen ließe sich die über die Dachflächen gewonnene Wärme effizient nutzen, doch bedarf ein solches Projekt die Integration von thermischen Energiespeichern (Eisspeichern, großvolumige Wasserspeicher, thermischer Beladung des Erdreichs). Mit einem auf Flughafengebäude und Umfeld abgestimmten Speicherkonzeptes ließen sich folglich die nicht direkt nutzbaren Wärmegewinne zwischenspeichern. Doch auch die großen Gewinne durch die PV-Eindeckung der Dächer lassen sich nur in überschaubarem Maße direkt im Flughafengelände nutzen oder in das anliegende Stromnetz einspeisen. Daher bedarf es der Integration elektrischer Energiespeicher, um die großen Erträge der auf den Dachflächen installierten PV kurz- bis mittelfristig zwischenspeichern und zeitversetzt nutzen zu können.

Hier könnte sich ein neuartiger hydraulisch-pneumatischer Druckluftenergiespeicher als zukunftsweisend erweisen, der im Rahmen eines Verbundvorhabens in Baden-Württemberg erprobt werden wird. Die bei der elektrischen Be- bzw. Entladung des Speichers freiwerdende Prozesswärme bzw. Prozesskälte lässt sich mittels eines systemintegrierten Wärmetauschers im Gebäude oder im umliegenden Gewerbe nutzen. 

Erfüllt der neuartige elektrische Speicher die Erwartungen, wäre mit der Aufstellung des Speichersystems in einer ungenutzten Fläche des Flughafengebäudes ein elektrischer Energiespeicher mit einer Speicherkapazität von 500 MWhel oder gar 1 GWhel realisierbar. Der PV-Strom könnte nicht nur im Flughafengebäude, sondern auch an die angrenzenden Wohnquartiere zur Nutzung freigegeben werden. Gleichermaßen wäre die anfallende Prozesswärme bzw. Prozesskälte im Flughafengebäude oder im benachbarten Quartier verfügbar. 

Mit der Anbindung des kapazitätsstarken Druckluft-Energiespeichers an das außen anliegende elektrische Versorgungsnetz ließe sich dieser auch netzdienlich betreiben. Damit wäre die Vision greifbar, den Flughafen Tempelhof als aktiven Energiebaustein zu betreiben. Technisch ist es möglich, mithilfe von neuartigen Druckröhren-Speichern 500 MWh Strom oder mehr zu speichern. 

Dieser innovative systemische Ansatz hat das Potenzial, nicht nur eine klimaneutrale Versorgung des Flughafen Tempelhofs sicherzustellen, sondern auch die angrenzenden Quartiere mit in das Energiekonzept einzubeziehen. 

Eine spannende Herausforderung, die es lohnt, in den kommenden Workshops vertieft zu untersuchen: Flughafen Tempelhof – ein energieaktiver und denkmalgerechter Baustein im Versorgungskonzept der Metropole.

Autor: Prof. Dr. Harald Garrecht
Copyright Beitragsbild: Maurice Weiss/ Ostkreuz